Prof. Dr. Elsbeth Stern

Prof. Dr. Elsbeth SternInstitut für Verhaltenswissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Schweiz)

Lernen
Alles, was wir in einem bestimmten Inhaltsbereich wissen und können, müssen wir zuvor – oft recht mühevoll – lernen. Diese eigentlich triviale Tatsache gewinnt vor dem Hintergrund der Diskussion um Bildungsinhalte zunehmend an Bedeutung. Lohnt es sich angesichts der sich schnell ändernden Welt überhaupt noch Inhaltswissen zu erwerben, oder sollte man dieses zugunsten der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und Lernstrategien zurückzustellen? Mit dieser Position werde ich mich sehr kritisch auseinander setzen. Lern- und Denkstrategien sind nämlich untrennbar an den jeweiligen Inhaltsbereich gebunden, und alle Versuche, solche Kompetenzen losgelöst von anspruchsvollen Inhalten zu trainieren, müssen als gescheitert betrachtet werden. Allerdings kann Inhaltswissen im Gedächtnis mehr oder weniger intelligent abgelegt werden und ist damit mehr oder weniger geeignet zur Bewältigung neuer Anforderungen. Unter Kompetenzen im kognitionswissenschaftlichen Sinne wird intelligent angelegtes und damit auf neue Anforderungen anwendbares Wissen verstanden. Wie Lernumgebungen beschaffen sein müssen, damit intelligentes, breit einsetzbares Wissen erworben werden kann, wird ausführlich behandelt. Worin sich Menschen in ihren Lernvoraussetzungen unterscheiden und inwieweit solche Unterschiede durch Anstrengung und Fleiß ausgeglichen werden können, wird ebenfalls angesprochen.

Zur Person
Elsbeth Stern studierte Psychologie an der Philipps-Universität Marburg und an der Universität Hamburg. Nach ihrem Diplom bei Hubert Feger promovierte sie 1986 bei Kurt Pawlik. Von 1987 bis 1993 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Entwicklungspsychologie von Franz E. Weinert am Max-Planck-Institut für psychologische Forschung in München. Sie habilitierte sich 1994 im Fach Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit über Die Entwicklung des mathematischen Verständnisses im Kindesalter. Von 1994 bis 1997 war sie Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Leipzig. Von 1997 bis 2006 arbeitete sie als Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Unter anderem forschte sie in einem Lernlabor, wie Kinder im Grundschulalter sinnvoll an Mathematik und Naturwissenschaften herangeführt werden können. Zusammen mit Ralph Schumacher entwickelte sie 2004 an der Universität Brandenburg ein Curriculum für die Frühkindliche Bildung. 2006 nahm sie einen Ruf an die ETH Zürich auf eine Professur für Lehr- und Lernforschung an. In der Presse bekannt wurde sie u.a. durch eine Untersuchung über den Einfluss des Lateinunterrichts auf die Intelligenzentwicklung, in der kein positiver Effekt auf das logische Schlussfolgern und Leistungen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich nachgewiesen werden konnte. Eine weitere Studie zum naturwissenschaftlichen Unterricht in der Vor- und Grundschule kam zu dem Ergebnis, dass z. B. physikalische Begriffe viel früher erfasst werden als bisher angenommen. 2014 wurde sie in die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz gewählt. Wissenschaftliche Schwerpunkte sind bei ihr neben der Lehr-Lern-Forschung Kognitionspsychologie und Intelligenzforschung.